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Urteil des Landgerichts Hamburg, Az. 312 O 85/98


Das von Internet-Nutzern wohl am häufigsten mißverstandene Gerichtsurteil ist das unten zitierte Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 1998, mit dem ein Homepagebesitzer zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde für von ihm gesetzte Links zu ehrverletzenden Äußerungen über eine ihm mißliebige Person.

Viele Homepage-Besitzer ("Webmaster") verführt dieses Urteil offensichtlich dazu, auf ihrem Seiten eine Klausel anzubringen, in dem sie auf dieses Urteil verweisen und sich pauschal von allen Links, die sie auf ihren Seiten gesetzt haben, distanzieren.

Man liest dann häufig eine solche oder ähnliche Formulierung:

Disclaimer

Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, daß man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten ggf. mit zu verantwortern hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, daß man sich ausdrücklich von diesem Inhalt distanziert.

Für alle Links auf dieser Homepage gilt: Ich distanziere ich mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten auf meiner Homepage und mache mir diese Inhalte nicht zu Eigen.

 

 

 

Derartige Haftungsfreizeichnungsklauseln, im Internet-Volksmund "Disclaimer" genannt, zeugen davon, daß der Urheber das betreffende Urteil des Landgerichts Hamburg nicht verstanden, es vermutlich noch nicht einmal gelesen hat.

Denn in diesem Urteil stellt das Landgericht Hamburg eindeutig fest, daß die beanstandeten Internet-Seiten des Verurteilten eine derartige Haftungsfreizeichnungsklausel enthalten. Und es führt aus, daß eine solche Klausel mit einer pauschalen Distanzierung von sämtlichen Links eben gerade keinen Freibrief für die Aufnahme beliebiger Links ist.

Im Urteil heißt es über den Verurteilten: "Des weiteren habe er durch Aufnahme einer Haftungsfreizeichnungsklausel klargestellt, daß er keinerlei Verantwortung übernehme.". Spätestens bei diesem Satz muß doch jedem Menschen, der lesen kann, klar sein, daß der Verurteilte einen "Disclaimer" auf seiner Seite hatte! Und genau diese pauschale Distanzierung hat das Gericht einkassiert: "Dies ist keine Distanzierung, sondern vielmehr eine nicht verantwortete Weitergabe und damit eine eigene Verbreitung."

Das Urteil sagt also genau das Gegenteil aus von dem, was manche Webmaster dort hineinzuinterpretieren meinen. Der Verurteilte hatte eine Distanzierung (nach heutiger Sprechweise also einen "Disclaimer") auf seiner Seite! Und das Gericht hat festgestellt, daß die auf der Seite pauschal ausgesprochene Distanzierung nicht wirksam ist. Denn es hat erkannt, daß die Distanzierung von dem Angeklagten nur pro-forma angebracht wurde, um ungestraft zu beleidigenden Inhalten über den Kläger verlinken zu können.

Link oder nicht Link?

Ob man als Webmaster einen Link zu einer anderen Seite setzt oder nicht, sollte man natürlich nicht nur von juristischen Fragestellungen abhängig machen.

Jeder Link ist letztlich eine Unterstützung der betreffenden Seite. Wenn der Wunsch nach einer (gegenseitigen) Verlinkung an einen herangetragen wird, sollte man sich fragen, ob man die betreffende Seite unterstützen möchte.

Ein Beispiel, welche Kriterien man dafür anlegen kann, finden Sie unter

http://www.daniel-rehbein.de/verlinkung.html

Eine Aussage "Ich distanziere mich" ist also gemäß Feststellung des Gerichts gar keine Distanzierung. Denn man kann nicht einfach per Deklaration Tatsachen schaffen.

Wenn der Fahrkartenkontrolleur in der Straßenbahn nach dem Ticket fragt, reicht es auch nicht aus, einfach zu erklären "Hiermit erkläre ich ausdrücklich, daß ich im Besitz eines gültigen Fahrscheins bin.". Der Kontrolleur wird die Fahrkarte auch sehen wollen.

Und entsprechend muß sich jemand, der erklärt "Ich distanziere mich von den verlinkten Seiten.", die kritische Frage gefallen lassen "Ja, wo ist denn nun Deine angekündigte Distanzierung?".

Auch das Wort "hiermit" macht aus der Behauptung, sich zu distanzieren, noch keine tatsächliche Distanzierung. Oder würden Sie den Satz "Hiermit beweise ich, daß die Erde eine Scheibe ist." tatsächlich als gültigen Beweis ansehen dafür, daß die Erde eine Scheibe ist?

Gänzlich unglaubwürdig wird's, wenn auf einer Seite mit Links die Distanzierungs-Behauptung "Hiermit distanziere ich mich..." steht, gleichzeitig die Links aber als "Empfehlungen", als "Seiten von Freunden", als "Sehenswerte Seiten" oder mit anderen positiven Formulierungen betitelt werden. Dafür, wie eine glaubhafte Distanzierung aussehen kann, folgt weiter unten im Text noch ein Beispiel.

Daß viele Webmaster gar nicht darüber nachdenken, was sie schreiben, sieht man auch daran, daß solche Distanzierungen häufig in der Form "ich distanziere mich" formuliert werden, aber der Leser darüber rätseln muß, wer denn diese ominöse Person "ich" sein mag. Wenn schon etwas mit "ich" formuliert wird, dann muß doch auch ein Name drunterstehen oder anderweitig unmittelbar erkennbar sein, von welcher Einzelperson der Text stammt! Zumindest sollte ein aussagekräftiges Impressum vorhanden sein.



Völlig unabhängig von der Begründung des Urteils ist zudem festzuhalten, daß dem deutschen Recht die Möglichkeit einer pauschalen Distanzierung von jeglicher Verantwortung für die eigenen Taten fremd ist. Wer also irgendetwas tut, was rechtlich von Belang ist - und sei dies das Setzen eines Links - ist dafür grundsätzlich gemäß den allgemeinen Rechtsnormen verantwortlich.

Das Urteil und der "gesunde Menschenverstand"

Auf manchen Webseiten wird mit Bezug auf das Urteil des Landgerichts Hamburg geschrieben, deutsche Gerichte würden weltfremd urteilen und Richter hätten keinen gesunden Menschenverstand, wenn sie so ein unsinniges Urteil fällen würden.

Dabei hat das Landgericht Hamburg gerade mit diesem Urteil gesunden Menschenverstand bewiesen. Das Gericht hat erkannt, daß im vorliegenden Fall der Beklage nur deshalb seine Schmähschrift auf eine externe Seite gesetzt und den Link dorthin mit einer Distanzierung (sogenannte Haftungsfreizeichnungsklausel) versehen hatte, um damit ungestraft derbe Beleidigungen veröffentlichen zu dürfen, von deren rechtlichen Relevanz er genau wusste. Diesen Machenschaften hat das Gericht einen Riegel vorgeschoben. Man kann nicht andere öffentlich beleidigen und der rechtlichen Verantwortung durch das bloße Lippenbekenntnis einer Distanzierung entkommen.

Das Gericht war also keineswegs weltfremd, sondern hat ganz im Gegenteil sehr realitätsbezogen die wahren Absichten hinter der Distanzierungsklausel des Beklagten erkannt. Es hat erkannt, daß die Distanzierung nicht wirklich ernst gemeint war, sondern nur ein juristischer Winkelzug war - bemerkenswerterweise genauso, wie heute die zahlreichen Distanzierungen mit Bezug auf das Urteil des Landgerichts Hamburg gemeint sind.

Gemäß §8 des Teledienstegesetzes (TDG) sind Homepage-Besitzer für verlinkte rechtswidrige Inhalte nur dann verantwortlich, wenn sie von den Inhalten Kenntnis haben. Sie sind ausdrücklich nicht verpflichtet, aktiv nach rechtswidrigen Inhalten zu suchen. Wird also eine verlinkte zunächst unbeanstandete fremde Seite später mit rechtswidrigen Inhalten gefüllt, so haftet derjenige, der diese fremde Seite verlinkt hat, nur dann, wenn ihm nachzuweisen ist oder wenn es deutliche Indizien dafür gibt, daß er von dem neuen rechtswidrigen Inhalt Kenntnis hatte. Genausowenig muß für Inhalte gehaftet werden, die ein fremder Teilnehmer in sein Forum oder Gästebuch hineinschreiben, sofern keine Indizien dafür bestehen, daß der Besitzer der Homepage davon Kenntnis erlangt hat.

Wenn er aber seine Links mit einer pauschalen Distanzierung "Disclaimer" versieht, so wird das Gericht dies mit hoher Wahrscheinlichkeit als ein deutliches Indiz dafür werten, daß er von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Seite wusste (siehe hierzu auch den Schlußsatz des §9 Absatz 1 Teledienstegesetz). Eine Haftungsfreizeichnungsklausel "Disclaimer" nützt also nicht nur nichts, sondern sie kann sich im Ernstfall (wenn tatsächlich ein Rechtstreit eingetreten ist) erheblich negativ auswirken!

Auch außerhalb des Internet ist dies nicht anders: Angenommen, Sie empfehlen (öffentlich) den Besuch eines bestimmten Händlers, der preiswert gebrauchte Autoradios verkauft. Nun stellt sich leider heraus, daß es sich bei den dort verkauften Autoradios um Diebesgut handelt. Zu deutsch: Die Dinger sind "vom Laster gefallen".

Wenn Sie Ihre Kaufempfehlung sachlich neutral ("Dort gibt es günstige Autoradios.") ausgesprochen haben, so haben Sie mit der Angelegenheit nichts zu tun. Wenn Sie aber eine Empfehlung mit gleichzeitiger Distanzierung abgegeben haben ("Dort gibt es günstige Autoradios. Damit, wo die herkommen, habe ich aber nichts zu tun."), so spricht dies dafür, daß sie von dem illegalen Treiben gewußt haben. Wenn man Ihnen Ihre Aussage nachweisen kann, werden Sie möglicherweise wegen Beihilfe zur Hehlerei verurteilt und sind damit vorbestraft.

Deshalb: Lassen Sie die Finger weg von Distanzierungen! Setzen Sie Links oder lassen Sie es bleiben, aber versuchen Sie sich nicht an "Links mit eingebauter Rechtsschutzversicherung". Wenn nämlich an den verlinkten Seiten wirklich etwas zu beanstanden ist, werden Sie es mit "Disclaimer" schwer haben, glaubhaft darzulegen, daß sie davon nichts gewußt haben.



Haftungsauschlüsse auf Webseiten

Zusätzlich zu einer Distanzierung von Links gibt es noch zahlreiche andere Dinge, die Webmaster in Haftungsauschlüssen, sogenannten Disclaimern, zu regeln versuchen. Daß ein solches Ansinnen Unfug ist, können Sie nachlesen auf der Seite

http://www.mein-dortmund.de/disclaimer.html
 

 
Zudem ist eine pauschale Distanzierung von sämtlichen Links, die jemand selbst auf seine Seiten gesetzt hat, auch völlig unglaubwürdig. Warum setzt jemand Links zu fremdem Seiten, wenn er gleichzeitig öffentlich kundtut, daß er mit deren Inhalt nicht einverstanden ist? Um diese fremden Seiten als negative Beispiele zu brandmarken und öffentlich anzuprangern?

Verantwortliche für Webseiten (neudeutsch "Webmaster"), die ihre Links mit solchen pauschalen Distanzierungen versehen, sollten sich mal überlegen, was sie da eigentlich schreiben. Wenn nicht sachlich korrekt zu jedem einzelnen Link begründet wird, warum gerade von diesem Link eine Distanzierung erfolgt, so handelt es sich um eine Beleidigung, die gemäß §185 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belangt werden kann!

Natürlich kommt es vor, daß man auf negative Beispiele verlinken möchte. Weiter unten auf dieser Seite verlinke ich selbst zu der Webseite der Indutrie- und Handelskammer Lübeck, um sie als negatives Beispiel zu zeigen. Man müsste aber schon ein extremer Pessimist und Miesepeter sein, wenn man behaupten wollte, daß sämtliche Links, die man setzt, ausnahmslos zu schlechten Webseiten führen. Zudem wird vielfach auch gar nicht begründet, aus welchem Grund die Seiten, zu denen verlinkt wird, so pauschal abqualifiziert werden.

Auch meine Internet-Seiten werden von diversen anderen Webmastern verlinkt. Und mich ärgert immer wieder, wenn über einer Link-Liste, worin ein Link zu einer meiner Seiten enthalten ist, eine pauschale Distanzierung steht. Was soll das? Sind meine Internet-Seiten als negative Beispiele würdig, an den Pranger gestellt zu werden? Wenn dem tatsächlich so ist, so sollte dies doch wenigstens näher begründet werden: Enthält mein HTML-Quellcode zu viele Verstöße gegen die HTML-Spezifikation? Gefallen die Photos nicht? Ist die Navigation durch die Seiten zu unbequem? Oder sonstwas? Wenn dies tatsächlich die ausschlaggebenden Kritikpunkte sind, so sollte dies auch so benannt werden. Denn dann handelt es sich um sachliche und nachvollziehbare Kritik.

Was würden Sie dazu sagen, wenn Sie (sagen wir "Herr Müller") z.B. zu einer Feier ihren Nachbarn eingeladen wären und dort den anwesenden Gästen mit den Worten vorgestellt würden:

"Dies mein Nachbar Herr Müller. Von allem, was Herr Müller sagt, schreibt oder anderweitig verbreitet, möchte ich mich hiermit deutlich distanzieren. Insbesondere mache ich mir die von Herrn Müller vertretenen Meinungen nicht zu Eigen." ?

Wenn Sie zwar vermutlich keine Anzeige wegen Beleidigung gemäß §185 StGB erstatten würden, so würden Sie aber wohl Ihren Nachbarn nie wieder besuchen.

Einen Link zu einer meiner Seiten mit einer inhaltlich nicht begründeten Distanzierung betrachte ich dagegen als Beleidigung!

Was mögen wohl die bei dem Bundes der Selbständigen (BDS), Bezirk Niederbayern verlinkten Unternehmen und Initiativen (u.a. drei Industrie- und Handelskammern) davon halten, daß sich der BDS auf http://www.bds-niederbayern.de/links.html pauschal von allen Links distanziert? Ist die Linkliste also als Warnung zu verstehen, sind beispielsweise die drei genannten Industrie- und Handelskammern schwarze Schafe, in deren Gebiet man kein Gewerbe anmelden sollte?

An diesem Text über den BDS-Bezirk Niederbayern sieht man auch, wie eine Distanzierung sinnvollerweise erfolgt, wenn man wirklich einmal eine verlinkte Seite als negatives Beispiel verstanden wissen möchte:

Daß ich dem hier verlinkten Inhalt "Disclaimer" des BDS nicht zustimme, erkläre ich nicht durch eine pauschale Distanzierung ohne jegliche Begründung, sondern es wird aus dem Zusammenhang des Links innerhalb dieser Internet-Seite deutlich.

Ich brauche also keine Haftungsfreizeichnungsklausel "Disclaimer", damit jeder sieht, daß ich mir die Inhalte des BDS, Bezirk Niederbayern, nicht zu Eigen mache.

Um es noch einmal klarzustellen: Für Rechtssicherheit bei Links benötigt man keinen Disclaimer. Zum Zeitpunkt des Linksetzens sollte der Webmaster die verlinkte Seite ansehen und für gut befinden. Wenn sich danach der Inhalt der verlinkten Seite ändert, kann er dafür nicht haftbar gemacht werden.

Anders ist die Situation, wenn der verantwortlichen Webmaster darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ein Link zu strafrechtlich relevanten Inhalten führt oder wenn Indizien dafür sprechen, daß er von den Inhalten Kenntnis hat. Dann kann er sich auch mit einer allgemeinen Klausel (einem sogenannten "Disclaimer") der Verantwortung dafür nicht entziehen, er muß den Link entfernen.

Disclaimer

Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, daß man sich der Verantwortung für Inhalte nicht dadurch entziehen kann, daß man sie nicht selber veröffentlicht, sondern einen Link auf eine fremde Veröffentlichung dieser Inhalte setzt und sich von diesem Link distanziert.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 1998 hat mit dem Inhalt meiner Webseiten nichts zu tun. Diese Erklärung gilt für alle meine Webseiten und alle Inhalte, die auf diesen stehen.

So könnte ein Disclaimer zum Urteil des Landgerichts Hamburg lauten, der dem tatsächlich gesprochenen Urteil entspricht. Diesen Text kann man natürlich genausogut gleich ganz weglassen - oder man macht ihn komplett, indem man sämtliche jemals von deutschen Gerichten gesprochenen Urteile aufzählt, die mit der Webseite nichts zu tun haben.

Hierzu hat das Landgericht Hamburg im Grunde nur den gesunden Menschenverstand bestätigt: Wer wissentlich illegales Handeln anderer toleriert oder sogar unterstützt, kann sich durch eine plumpe Äußerung "Damit habe ich nichts zu tun" nicht aus der Verantwortung stehlen!

Im konkreten Fall war es sogar noch schlimmer: Der letztlich Verurteilte hatte sich (aufgrund einer vorausgegangenen Rechtsstreitigkeit über die Internet-Domain emergency.de) über jemanden anders geärgert. Da er aber wusste, daß er mit beleidigenden Äußerungen den Tatbestand einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erfüllen würden, suchte er jemanden, der sich ebenso über seinen Kontrahenten geärgert hatte und verlinkte zu dessen Seite, auf der sich beleidigende Inhalte befanden.

Um seine Hände in Unschuld zu waschen, versah er diesen Link mit einem allgemeinen Hinweis, daß er für die Inhalte aller verlinkten Seiten nicht verantwortlich sei. Das Gericht sah dies anders und befand, daß die allgemeine Haftungsfreizeichnungsklausel keine ausreichende Distanzierung sei, sondern daß er diese lediglich als Deckmantel benutzen wollte, um ungestraft eine Rechtsverletzung zu begehen. Somit verurteilte es den Beklagten.

Den Verurteilten traf das Urteil durchaus überraschend, denn es war das erste Mal, daß ein deutsches Gericht das Setzen eines Links zu beleidigenden Äußerungen als Grund für eine Verurteilung nahm. Bei vielen Internet-Nutzern sorgte das Urteil für Aufruhr. Dies lag zum einen daran, daß die Rechtsprechung zu Internet-Themen damals noch nicht sehr gefestigt war und deshalb befürchtet wurde, daß demnächst jeder für alles haftbar gemacht werden könnte. Zum anderen lag es auch daran, daß der Kontrahent des Verurteilten aufgrund seiner anderen Rechtstreitigkeiten nicht gerade sonderlich beliebt war. Diese Situation führte dazu, daß sich Internet-Nutzer zu der Gruppe "Freedom for Links" zusammenschlossen. Diese Gruppe (mittlerweile ein eingetragener Verein) verbreitete im Internet die Meinung, daß Richter das Internet völlig falsch beurteilen würden und daß deshalb das Setzen von Links generell juristisch gefährlich sei (diese Meinung wurde später revidiert). Ohne Sachverstand, überhaupt ohne eigene Beurteilung der Angelegenheit, wird der sogenannte "Disclaimer" seitdem von zahlreichen Webmastern übernommen. Dabei ist (bei Anwendung des gesunden Menschenverstands) das Setzen von Links ein normaler Vorgang ohne rechtliche Probleme.

"Was soll ich denn nun schreiben?"

Zuweilen erhalten ich E-Mails, in denen der Absender mich fragt "Was ich soll ich denn nun schreiben, um mich rechtlich abzusichern?". Die Antwort ist ganz einfach und steht auch ein Stück weiter oben im Text dieser Seite: Gar nichts.

Man klebt sich doch in der realen Welt auch keinen Zettel an die Stirn, der vor Rechtsfolgen für allen Gesagte oder Geschriebene schützen soll. Warum soll man sich im Internet einen solchen Zettel auf die Homepage kleben?

Wenn Sie Ihren Besuchern unbedingt einen Disclaimer zu lesen geben wollen, setzen Sie doch einen Link "Haftungsauschluß" zu der Webseite http://www.rehbein-dortmund.de/disclaimer.html
 

 
Daß der sogenannte "Disclaimer" in vielen Fällen noch nicht einmal selbst formuliert, sondern einfach nur kopiert wird, sieht man auch an zwei markanten Rechtschreibfehlern, die auch ich in dem roten Kasten oben auf dieser Seite angebracht habe: In dem Wort "verantwortern" ist ein Buchstabe R zuviel und in der Formulierung "ich distanziere ich mich" ist die Wiederholung des Wortes "ich" falsch. Suchen Sie mal mit einer Suchmaschine, z.B. mit google, nach diesen Fehlern:
      Google-Suche "verantwortern"
      Google-Suche "Ich distanziere ich mich"
Achten Sie auch darauf, wie häufig in den Formulierung fälschlicherweise von "gelinkten" (umgangssprachlich für "betrogenen") Webseiten, nicht von verlinkten Webseiten gesprochen wird.

Anzumerken bleibt noch, daß natürlich eine ganz andere Ausgangslage gegeben ist, wenn jemand gezielt Links zu illegalen Inhalten setzt, etwa zum Zweck der Forschung und Lehre oder der Aufklärung über bestimmte Machenschaften. So hat z.B. der Buchautor Burkhard Schröder auf der Internet-Seite http://www.burks.de/nazis.html eine Liste mit Links zu rechtsradikalen Seiten veröffentlicht. Hierbei macht er durch den Kontext seiner Seite deutlich, daß er die verlinkten Inhalte nicht unterstützt, sondern über rechtsradikale Inhalte aufklären will. Dies ist eine Gratwanderung, die man nur nach fundierter juristischer Beratung wagen sollte.

Generell ist man natürlich nie davor geschützt, daß man in Rechtsstreitigkeiten verwickelt wird, sobald man öffentlich publiziert. Es kann immer Leute geben, die ihre Rechte in irgendeiner Form verletzt sehen und vor Gericht ziehen. Wie der im Sommer 2002 in den Medien diskutiere Rechtsstreit um Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigt, reicht es aus, öffentlich die Empfehlung auszusprechen, der Bundeskanzler solle sich doch bitteschön nicht die Haare färben (und damit implizit zu behaupten, daß er genau dieses tue).

Auch umfangreiche Klauseln zum Haftungsausschluß oder "Nutzungsbedingungen" für Webseiten können hier nicht weiterhelfen. Zum einen sind diese für den Besucher einer Webseite kein bindender Vertrag, zum anderen kann man durch einseitige Erklärungen keine Gesetze außer Kraft setzen. Eine ausführliche Erklärung zur Sinnlosigkeit von "Nutzungsbedingungen" für frei abrufbare Webseiten und zur juristischen Bewertung von Haftungsausschlüssen kann auf der Seite http://www.mein-dortmund.de/disclaimer.html nachgelesen werden.

Bemerkenswert ist, daß viele Webmaster, die meinen, sich mit einem "Disclaimer" vor möglichen Rechtsstreitigkeiten schützen zu können, es an anderer Stelle mit dem Gesetz nicht so genau nehmen: Bei der Impressumspflicht. Zu der Impressumspflicht ist auf der Webseite http://www.bahnhof-hamburg.de/impressum.html eine genaue Beschreibung zu finden.

Nach so viel erläuterndem Text nun aber endlich das Urteil im Wortlaut, wie am 12. Mai 1998 vom Landgericht Hamburg öffentlich verkündet wurde:

 


Landgericht Hamburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 312 O 85/98

Verkündet am 12. Mai 1998

In der Sache [...]

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12, für Recht:

1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist und noch entsteht, daß der Beklagte unter der Internet-Domain "www.emergency.de" einen Hinweis (sog. Link) auf die mit diesem Urteil verbundene Webseite eingerichtet hat.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Mit der am 27.02.1998 zugestellten Klage nimmt der Kläger den Beklagten nach wechselseitig hinsichtlich des Auskunftsanspruchs erklärter Erledigungserklärung auf Feststellung und Schadensersatzverpflichtung sowie Zahlung der anwaltlichen Kosten für die Abmahnung betreffend die Unterlassung in Anspruch.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte ließ, nachdem ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien vorangegangen war, auf seiner Internet-Homepage - Anlage JS 1 - Links auf im Internet vorhandene Informationen über den Kläger aufnehmen, so auf die Webpage - Anlage JS 2.

Der Kläger hält diese "Berichterstattung" für sittenwidrig und sieht sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als verletzt an. Der Beklagte hafte, da er sich durch den Verweis auf die Webpage - Anlage JS 2 - die dortigen Ausführungen zu eigen gemacht habe.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er meint, er habe durch die Zusammenstellung der über den Kläger erfolgten Äußerungen einen "Markt der Meinungen" eröffnet.

Des weiteren habe er durch Aufnahme einer Haftungsfreizeichnungsklausel klargestellt, daß er keinerlei Verantwortung übernehme. Im übrigen mache er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß sich der Kläger selbst nach außen hin exponiere. Schließlich fehle es auch an der Darlegung eines Wettbewerbsverhältnisses.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet aus § 823 I, II BGB i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Ehre des Klägers.

Der Beklagte hat dadurch, daß er einen sog. Link auf die Webpage - Anlage JS 2 - in seiner Homepage aufgenommen hat, die auf der Anlage JS 2 befindlichen ehrverletzenden sowie beleidigenden Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen zu seinen eigenen gemacht.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts wie auch wohl des Beklagten, denn er hat die Unterlassungserklärung abgegeben, überschreitet der Text der Anlage JS 2 an mehreren Stellen die von Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit, in dem die durch Güterabwägung zu ermittelnde Grenze zum Ehr- und Persönlichkeitsrechtsschutz nicht eingehalten ist. Angesichts der von dem Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung erübrigt sich eine detaillierte Darlegung der Beleidigungen im einzelnen. Hinsichtlich des klagweise weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs ist auszuführen, daß entgegen der Auffassung der Beklagten die Aufnahme des Links weder von der "Haftungsfreizeichnungsklausel" - so sie denn am 17.02.1998 überhaupt aufgenommen gewesen ist - noch von dem ohnehin erst im nachhinein erstellten sog. "Markt der Meinungen" gerechtfertigt wird.

Wie in der Entscheidung des BGH vom 30.01.1996, NJW 96, 1131 ff. ausgeführt, kann das Verbreiten einer von einem Dritten über einen anderen aufgestellten herabsetzenden Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, wenn derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht ausreichend von ihr distanziert. Eine solche ausreichende Distanzierung hat der Beklagte jedenfalls nicht dadurch vorgenommen, daß er auf die eigene Verantwortung des jeweiligen Autors verweist. Dies ist keine Distanzierung, sondern vielmehr eine nicht verantwortete Weitergabe und damit eine eigene Verbreitung.

Auch von einem nach Meinung des Beklagten dank seiner Recherchen über den Kläger aufgestellten Zusammenschau von über den Kläger erfolgten Publikationen im Sinne der zitierten BGH-Entscheidung vorliegenden Markt der Meinungen, der etwa die Aufnahme des Links legitimieren könnte, kann nicht die Rede sein. Es geht dem Beklagten nicht darum, wie aber in der zitierten Entscheidung des BGH der Fall, ein Kaleidoskop von Behauptungen in einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit möglichst umfassend in alle möglichen Richtungen vertiefend wiederzugeben, um der Wahrheitsfindung nachzuhelfen. Der Beklagte hat vielmehr hier eine Zusammenschau ehrverletzender Artikel über den Kläger erstellt. Die auf der Webpage - Anlage JS 2 - enthaltenen ehrverletzenden Behauptungen sind darüber hinaus so schwerwiegend und nachhaltig, daß der Beklagte vom Grunde her nicht allein zur Abdeckung des materiellen, sondern auch des immateriellen Schadens verpflichtet ist.

Soweit der materielle Schaden bereits bezifferbar ist, ist der Kläger dem in Gestalt des Zahlungsantrages nachgekommen. Der Beklagte ist aufgrund seiner nach vorstehenden Darlegungen bestehenden Schadensersatzpflicht gemäß §§ 823 I, II, 824, 249 ff. BGB verpflichtet, die außergerichtlichen anwaltlichen Abmahnkosten zu bezahlen. Diese sind jedoch nur in Höhe des zuerkannten Betrages zuzusprechen. Zugrundezulegen ist entgegen der Auffassung des Klägers für den außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch kein Gegenstandswert von DM 100.000,00, sondern vielmehr von DM 40.000,00. Die Höhe dieses Wertes reicht aus, um allen entstandenen und etwaig noch entstehenden Schaden materieller und/oder immaterieller Art abzudecken.




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