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Aus meinem Bücherregal

"Vater und Sohn" von Erich Ohser


Unter dem Pseudonym e.o.plauen publizierte Erich Ohser von 1934 bis 1937 wöchentlich einen Comic der Reihe "Vater und Sohn". Ähnlich wie Erich Kästner, mit dem er befreundet war, hatte Erich Ohser in der Zeit des Dritten Reichs faktisch Publikationsverbot. Und analog zu Erich Kästner gelang es auch Erich Ohser, unter zu Pseudonym publizieren.

Die Geschichten "Vater und Sohn" handeln von einem alleinerziehenden Vater, der sich rührend um seinen Sohn kümmert, und der mit ihm diverse kleine Abenteuer erlebt. Nur in einer Geschichte kommt eine Mutter vor, in einer anderen Geschichte ein (anonymes) Mädchen, ansonsten handelt es sich um eine reine Männergesellschaft. Selbst Großeltern tauchen nur in Form der Groß- und Urgroßväter auf.

Der Ravensburger Verlag veröffentlichte in den 1970er- und 1980er-Jahren drei Taschenbücher mit den Zeichnungen von Erich Ohser. So kam ich im Alter von neun Jahren mit diesen Geschichten in Kontakt. Doch nicht nur die Geschichten faszinierten mich, auch die Numerierung der Ravensburger Taschenbücher fand mein Interesse – und findet es sogar heute noch. Doch offenbar hat der Ravensburger Verlag sein System
der fortlaufenden Nummernvergabe der Taschenbücher irgendwann aufgegeben.

Die Lebensgeschichte von Erich Ohser ist nicht so fröhlich, wie es seine Comics nahelegen. Als Kritiker des Nazi-Regimes war er ohnehin in einer schwierigen Situation. Er war verheiratet und hatte einen kleinen Sohn, war aber in seinem Beruf eingeschränkt. Er wurde nicht in die Reichspressekammer aufgenommen und konnte deshalb nur mit Tricks publizieren.

Als er ein Jahr vor Kriegsende denunziert wurde, daß er im Luftschutzbunker mit seinem Verleger Erich Knauf politische Witze ausgetauscht hatte, erhängte er sich in der Gefängniszelle. Erich Knauf wurde wegen der politischen Witze zum Tode verurteilt und einige Wochen später hingerichtet. So wäre es aller Wahrscheinlichkeit nach auch Erich Ohser ergangen.

Die Comics von "Vater und Sohn" sind einzelne lustige Episoden, in denen sich auch die Technik und die Lebenssituation der damaligen Zeit wiederspiegelt. So sieht man die typischen Kraftfahrzeuge der 1930er-Jahre, Photoapparate mit Faltenbalg und die Schreibschrift mit dem geschwungenen Buchstaben "z".

Bemerkenswert ist, mit welcher Selbstverständlichkeit der eigentlich sehr kritische Erich Ohser die Prügelstrafe in einzelnen Episoden
darstellt. So ist es für den Vater selbstverständlich, nach einem Mißgeschick des Sohnes (bei dem Dinge beschädigt werden) diesen nicht zu trösten, sondern direkt den Rohrstock zu holen.

Und selbst der Urgroßvater erteilt dem sich längst in hohem Alter befindlichen Großvater noch eine Ohrfeige – die der dann aber direkt an den Vater und dieser an den Sohn weitergibt. Offensichtlich ist die körperliche Bestrafung völlig selbstverständlich unabhängig vom Alter der jeweiligen Personen.

Dabei gibt es keinen Grund anzunehmen, daß der Sohn besonders renitent wäre und der Vater sich nicht anders als mit körperlicher Züchtigung zu helfen wüsste. Tatsächlich ist der Sohn seinem Vater gegenüber durchaus sehr einfühlsam. So ist die strenge Erziehung mit Schlägen wohl als Ausdruck der damaligen Zeit zu sehen. Sogar bis in den 1970er-Jahre hinein galt es in Deutschland als allgemeiner Konsens, daß Kinder im Rahmen ihrer Erziehung geschlagen werden müssen. Und auch Erich Ohser hat dies in den 1930er-Jahren nicht hinterfragt.

Gleichwohl weiß Erich Ohser, daß Erziehung auch ohne Züchtigung funktionieren kann. In einer Episode wird dies thematisiert. Doch das ist die seltene Ausnahme, die Erziehung ohne Züchtigung bleibt ingesamt eher etwas Exotisches. Obwohl Erich Ohser gegen das Nazi-Regime eingestellt war, gegen Krieg und Gewalt, bleibt die Gewalt von Eltern gegenüber ihren Kindern in der Sprache seiner Bilder weitgehend unwidersprochen.

In der Zeit der 1930er-Jahre kommen auch Völkerschauen vor. Damals stellte man in den zoologischen Gärten nicht nur Tiere, sondern auch Menschen als entlegenen Gegenden aus.

Und so besuchen auch Vater und Sohn eine Völkerschau, um dort Menschen mit schwarzer Hautfarbe und ungewohnten Frisuren zu sehen. Schade, daß ich mich heute nicht mehr daran erinnern kann, was ich als Kind über diese spezielle Episode des Comics gedacht habe. Vielleicht habe ich es damals aber auch gar nicht verstanden?

Nachdem Erich Ohser unter dem Pseudonym "e.o.plauen" drei Jahre lang diese Comics für die Wochenzeitung "Berliner Illustrirte Zeitung" veröffentlich hatte, kritisierte er in einer Episode die zunehmende Kommerzialisierung der Figuren, in einer weitere Folge lies er Vater und Sohn sich von den Lesern verabschieden.

Erich Ohser gelang es, im Dritten Reich unter dem gewählten Pseudonym in anderen Zeitungen und Zeitschriften Karikaturen zu publizieren, wobei er gegenüber den Nazi-Regime unpolitisch bleiben musste.

Daß er sich seine grundsätzliche Ablehnung dieser Diktatur innerlicht behielt, wurde im schließlich zum Verhängnis. Wegen politischer Witze, der er eigentlich nur im privaten seinem Verleger Erich Knauf im Luftschutzkeller erzählt hatte, wäre er zum Tode verurteilt worden, wenn er sich nicht vorher selbst erhängt hätte.

So muß es uns auch eine Lehre sein, nicht vorschnell darüber zu befinden, wie wir selbst uns unter der Diktatur des Dritten Reichs verhalten hätten. Wären wir aktiv im Widerstand gewesen? Hätten wir uns angepasst und durchgemogelt? Oder wären wir womöglich mit glühender Verehrung in den braunen Bataillonen mitmarschiert?

Wenn selbst die kleinste kritische Äußerung zur Todesstrafe führen kann, ist es schwer, standhaft zu bleiben. Aus unserer heutigen sicheren Position können wir vieles darüber behaupten, wie wir uns damals verhalten hätten – ehrlich aber wissen wir es nicht.

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